Monatsbetrachtung Oktober
Monatsbetrachtung für Oktober
von Dr. Pia Aumeier,
Am Dornbusch 8,
44803 Bochum,
E-Mail: Pia.Aumeier@rub.de,
Tel. 0170 / 3 17 59 32
Die Würfel sind gefallen…
…doch über das winterliche Wohl der Bienenvölker entscheidet nicht etwa die Glücksgöttin Fortuna sondern der umsichtige Bienenvater. Versorgt mit junger Königin und hellem Wabenbau sowie ausreichend Futter sitzen seine Wintertrauben nach den ersten Frostnächten in mindestens fünf Wabengassen, täglich fallen meist weniger als fünf Milben in die Stockwindel.
Schadensbegrenzung…
Wer hingegen "schwäbisch" einfütterte, bei der Beurteilung der Volksstärke im August auf die noch umfassend vorhandene Brut oder überholte und unzuverlässige Methoden der Varroabekämpfung setzte, der muss schon jetzt die ersten Notbremsen ziehen. Noch fehlender Futtervorrat sollte dabei möglichst bienennah angeboten werden. Dazu zwei unbesetzte Randwaben entnehmen und z.B. Tetrapaks (siehe DNB 06/2010 S.189) mit leicht zu verarbeitendem Futtersirup an den Bienensitz stellen. Auch die Volksstärke sollte nun im Oktober noch einmal kritisch überprüft werden (Abb.1). Zu schwache Völker vereinigen (DNB 09/2010) und wo nötig warme Tage für eine Kurzzeit-Ameisensäure-Behandlung (z.B. Variante Liebig-Dispenser, DNB 08/2010 S.261) nutzen. Besonders wichtig: die gemachten Fehler für’s nächste Jahr vermeiden lernen.
Abb.1 Sind meine Völker stark genug für den Winter? Jung- und Wirt schaftsvölker brauchen zu Winterbeginn Anfang November mindestens 5.000 Bienen. Nur dann ist eine optimale Temperatur in der Wintertraube gesichert, auch harte Winter werden so schadlos überstanden. Die Zahl der besetzten Wabengassen ermittelt man am sichersten, indem man nach einer kalten Nacht (unter 5 °C) am frühen Morgen jede Gasse zählt, in der einige Bienen (mehr als zehn) zu sehen sind und an dieser Zahl zwei abzieht. Grünes Licht: Besetzen Ihre Völker fünf Wabengassen, können Sie den Deckel beruhigt wieder schließen. Gelbes Licht: Vier besetzte Wabengassen sind unter den beschriebenen Bedingungen das absolute Mindestmaß. Rotes Licht: Völker, die zu Winteranfang auf drei Wabengassen sitzen, haben ein hohes Sterberisiko.
Abb. 2: Winterfertiger Ablegerstand im Oktober. In den nächsten 150 Tagen fallen hier maximal 20 Minuten Arbeitszeit an.
…oder Schadenvorbeugung
Tüchtige Imker investieren im restlichenVierteljahr dagegen nur nochwenige Minuten Arbeit pro Volk. Die anfallenden Handgriffe beschränken sich auf Fluglochsicherung, Windeldiagnose und eventuell Restentmilbung. Um unnötige Störungen der Wintertraube durch Mäuse zu vermeiden, werden die Fluglöcher vor dem ersten Nachtfrost mäusesicher gemacht. Dem klassischen Fluglochkeil (Abb. 3a) ziehe ich dabei ein Drahtgitter (Maschenweite 7mm, Abb. 3b) vor. Durch den üblichen winterlichen Totenfall kann es nicht verstopfen.
Abb. 3a und b: Mäusekeil oder Mäusegitter, das ist hier die Frage… Deutlich weniger Arbeit macht das Gitter.
Auch dann nicht, wenn das Flugloch zum Schutz vor spät räubernden Bienen mit Schaumstoffstreifen bis zur Oxalsäurebehandlung Ende November eingeengt bleibt. Wer mit Keil imkert, der muss regelmäßig im Winter vor jedem wärmeren Tag kontrollieren, ob das Flugloch auch für den Reinigungsflug frei ist. Mit Gitter bleiben einem diese Besuche vollständig erspart. Etwa drei Wochen nach den ersten frostigen Nächten sind die meisten Bienenvölker brutfrei oder so brutarm, dass sich eine Restentmilbung mit Oxalsäure lohnt. Dieser Zeitpunkt liegt eher im November als im Dezember, zu Weihnachten sind die Völker meist bereits wieder stärker in Brut. Jedes Volk, das bei einer dreitägigen Gemülldiagnose ab Ende Oktober pro Tag mehr als eine Milbe verliert, beherbergt noch mehrere Hundert Milben. Soll bis Ende Juli des folgenden Jahres keine weitere chemische Behandlung notwendig werden, wird jetzt mit Oxalsäure (OS) behandelt:
1. „3,5%ige OS-Lösung“ herstellen (z.B. aus Oxuvar® von Andermatt BioVet AG; hier sind 35g OS-Dihydrat in einem Liter Zuckerwasser gelöst). Dabei Haut und Augen schützen!
2. Möglichst kalten Tag (unter 5°C) abwarten, da nur bei engem Bienensitz guter Behandlungserfolg gewährleistet ist! Keine Angst, das Öffnen schädigt Völ ker auch bei frostigen Temperaturen nachweislich nicht!
3. Säurefeste Handschuhe, Schutzbrille, langärmelige Kleidung anlegen.
4. Deckel des Volkes abnehmen, durch die Folie seine Stärke beurteilen.
5. Passende Lösungsmenge in Plastikspritze aufziehen (Volk besetzt bei Frost 3-4 Wabengassen: 30ml, 4 Wabengassen: 40ml, mehr als 5 Wabengassen: 50ml) und direkt auf die dicht sitzenden Bienen verteilen. Bei Einzargern hierzu nur Folie abziehen. Wo die Wintertraube in Zweizargern tief sitzt, obere Zarge ankippen und nur den unteren Bereich der Wintertraube beträufeln (Abb. 4). Lösung dabei stets möglichst gleichmäßig und mit möglichst feinem Strahl (Tülle für Spritze besorgen) verteilen.
6. Behandlung NICHT wiederholen! Die von manchen Imkern praktizierte „Blockbehandlung“, also der mehrmalige Einsatz von OS ist für Winterbienen, die nicht abkoten können, tödlich. Als Spätsommerbehandlung durchgeführt, wird sie zwar besser vertragen, ist jedoch von minimalem Nutzen, da OS in brütenden und locker sitzenden Völkern kaum Milben tötet. OS macht also nur in brutfreien Phasen Sinn.
7. Die durch OS vergifteten Milben fallen bis zu 5 Wochen lang. Bei Interesse am Behandlungserfolg Windeln solange eingeschoben lassen. Fallen insgesamt mehr als 1000 Milben, hat zwar die OSBehandlung gut gewirkt, trotzdem besteht akute Gefahr für die Überwinterung. Denn die Bienen sind zwar nun milbenfrei, durch ihr Aufwachsen mit dem Parasiten jedoch meist so geschädigt, dass ihr Leben nur kurz währt. Wo durch OS viele Milben fallen, sollte unbedingt die Spätsommerpflege im nächs ten Jahr optimiert werden! So angewandt tötet Oxalsäure etwa 95% aller Milben im brutfreien Volk, und das ohne Anwärmen der Lösung, ohne Ausschneiden eventuell vorhandener Restbrut, und ohne Einsatz von Rauch. Das Sprüh- oder Verdampfungsverfahren erzielt den gleichen Erfolg bei haarsträubendem Mehraufwand und unnötiger Gefährdung des Anwenders.
Zukunftsmusik und Sackgassen im Kampf gegen Varroa
Drohnenbrutentnahme plus Ameisen- und Oxalsäure, so einfach kann effiziente Varroa-Bekämpfung sein! Doch nicht nur wir Imker säßen heute noch auf den Bäumen, wären wir nicht ständig auf der Suche nach neuen Methoden. Die Milbe kann einem fast leid tun, sollte sie doch je nach Ideengeber schon durch pflanzliche Inhaltsstoffe aus Tabak, Neem, Kapuzinerkresse, Wurmfarn oder Fichtennadelölen vergiftet, unter Wasser (auf ihrer Biene!) ersäuft, von „bereits resistenteren“ Bienen gezielt ge“killt“, durch tägliche Drehung von Rundwaben um 180° um ihre Fortpflanzung gebracht (Abb.5), von elektromagnetischen Feldern, Ultraschall, Schall oder „abwehrenden Informationen“ auf Metallplättchen vergrault, durch Platzmangel in kleinen Zellen oder Zerdrücken im Rollenboden ausgerottet werden.
Abb. 5: Die Drehbeute mit Rundwaben sollte durch tägliches „Auf den Kopf drehen“ der Brutzellen die Fortpflanzung von Varroa unterbinden. Dies funktioniert leider nur in der Vorstellungswelt der Hersteller.
Manch tatsächlich wirksamer Technik wie dem Einsatz von Wärme oder Puderzucker (Abb.6a und b) mangelt es eminent an Praxistauglichkeit. Lockstoffen gelingt es im Volk bisher nicht, die Milben „an der Nase herum zu führen“. Natürliche Feinde aus der Welt der Bakterien, Viren, Pilze, Fadenwürmer und Pseudoskorpione sind verheißungsvolle, jedoch bisher nicht ausreichend erforschte Ansätze. Mit Sicherheit KEINE Zukunft hat jedoch die „harte Chemie“, wie sie in Bayvarol, Perizin & Co. vertreten ist.
Abb. 6 a und b: Bienen von den Waben fegen und mit Puderzucker durchschütteln… das veranlasst tatsächlich einige Milben zum loslassen. Leider jedoch nicht ausreichend viele.
Sauberer Honig entsteht nur in sauberem Wachs
„Honig ersetzt bei Kindern den Hustensaft“! Laut dieser aktuellen Pressemeldung erfuhren 100 erkältete Kinder die beste Linderung nach zwei Löffeln Buchweizenhonig, der damit einen handelsüblichen Hustensaft in seiner Wirkung schlug. Den Atem verschlägt es mir, wenn ich gleichzeitig in Imkerforen lese: „Im Honigraum imkere ich über Absperrgitter mit Halbzargen. Praktisch, denn dieselben Honigwaben können jedes Jahr erneut genutzt werden, vor der Varroa-Bekämpfung werden sie geschleudert und im Keller eingelagert. Obwohl ich Bayvarol und Perizin anwende, kommen sie so nie mit den „verseuchten“ Brutwaben in Berührung, der Honig bleibt also sauber.“ Welch Milchmädchen- rechnung! Denn anders als organische Säuren enthalten beide Produkte fettlösliche Varroazide, die sich nicht nur gerne im Wabenwachs lösen, sondern von dort aus auch die Bienen kontaminieren, die dann für eine stetige Verteilung der Wirkstoffe im ganzen Stock sorgen (Abb.7). In Deutschland sind aktuell etwa 33% aller Wachsproben in Mengen bis zu 10mg/kg mit Perizin-Rückständen versehen. Ab nur etwa einem Zehntel dieser Menge beginnt der Wirkstoff Coumaphos in den Honig zu diffundieren und gefährdet damit die Honigqualität. Genau dieses Zehntel an Wirkstoffmenge hatten die Bienen zwei Jahre nach einer EINmaligen Perizin-Behandlung bis in den Honigraum verschleppt (Daten Dr. Klaus Wallner, LAB Hohenheim). Zudem wird Honig gerne direkt nach dem Eintrag „unten“ zwischengelagert, wo er Rückstände aufnimmt. Obwohl während der Tracht vermutlich keine Mittel eingesetzt wurden, weist dementsprechend jeder sechste untersuchte deutsche Honig Coumaphos-Rück stände auf. Besonders dramatisch wird die Situation für diesen Wirkstoff vermutlich, sobald er, wie geplant, als Dauerapplikation in Streifenform als „Checkmite“ auf den deutschen Markt kommt. Finger weg davon!
Die Geister die ich rief…
Wer kontinuierlich auf fettlösliche Mittel setzt, sorgt selbst bei vorschriftsmäßigem Gebrauch für stetig steigende Belastung in seinem Betrieb. Denn der Verdünnungseffekt durch frisch gebautes Wachs macht die Neubelastung nicht wett. Eine Gefahr nicht nur für die Reinheit unserer Bienenprodukte, sondern auch für die Wirksamkeit dieser Mittel: Milben, die ständig auf kontaminiertem Wachs laufen, bilden schneller Resistenzen aus. „Unsere“ Milben sind zum Teil bereits gegen Wirkstoffe von Bayvarol, Apistan und Perizin resistent. Ganz zu schweigen von den vielen illegalen „Wunder-Mittelchen“, die manche Imker gerne beim Auslandsurlaub erwerben. Auch wer fettlösliche Mittel konsequent absetzt, trägt noch lang an seinen „alte Sünden“: bei der Wachsumarbeitung werden die Wirkstoffe leider nicht zerstört, sondern nur sehr langsam durch Mischung mit Neuwachs verdünnt. So ist Folbex VA Neu, das seit 1992 nicht mehr angewandt wird, heute immer noch hartnäckig in jeder zehnten deutschen Wachsprobe zu finden. Schnell „clean“ wird nur der, der seine Völker als Kunstschwärme in gereinigte Beuten (auch die Wachsschicht an den Beuteninnenwänden ist kontaminiert und muss mit Natronlauge ausgekocht werden; Abflämmen inaktiviert nicht, sondern treibt die Wirkstoffe nur noch tiefer ins Holz) auf rückstandsfreie Mittelwände einschlägt. Wer weniger radikal vorgehen möchte,
der sollte in Zukunft nicht nur auf fettlösliche Wirk stoffe verzichten, sondern zudem für regelmäßige Waben erneuerung mit Mit telwänden aus wenig belastetem Baurahmen- und Entdeckelungs wachs sowie zugekauften rückstandsfreien Mittelwänden (mit Prüfzertifikat!) sorgen, keine Waben (etwa bei der Erweiterung im Frühjahr) aus den Bruträumen mehr nach oben hängen, seinen Honig durch feine Siebe von rückstandsbelastetem Wachs gründlich befreien, altes Wachs über Kerzen systematisch aus dem Betrieb ausscheiden. Die einwandfreie Qualität unserer Bienenprodukte wird nur in Ausnahmefällen durch Pestizide aus der Landwirtschaft und Umweltverschmutzung beeinträchtigt. Haupt-Kontaminationsquelle war und ist der Imker mit der Anwendung fettlöslicher Akarizide, Pestizide zur Wachsmottenkontrolle (z.B. „Imker-Globol“) oder Repellentien statt Rauch bei der Honigernte (z.B. Fabi-Spray, Nelkenöl). Drohnenbrutentnahme und der Einsatz organischer Säuren sichern mir dagegen dauerhaft reines Wachs, das langfris tige Wohlbefinden meiner Bienen völker und Honigkunden…und ein reines Gewissen.
Checkliste – DAS können Sie sich im Oktober schenken!
Freude über brutstarke Völker.
Wer im Oktober noch stark brütet, versucht den durch Varroose bedingten raschen Bienenabgang wettzumachen. Ein Wettlauf ohne Chance
- Angst vor Resistenz auf organische Säuren. Unwahrscheinlich! Wirken Ameisen- oder Oxalsäure schlecht, war der Behandlungszeitpunkt falsch gewählt.
- Wabenschränke, Zugluft, Hitze, Kälte, Essigessenz, Schwefel, Bacillus thuringiensis zum Schutz des Wabenlagers vor Motten, Mäusen oder
(A)Meisen. Unbebrütete Waben ohne Pollen oder Honigvorräte staple ich erfolgreich ohne jeden weiteren Schutz in mäusedichten Zargentürmen. Wachsmottenlaren verhungern auf ihnen in wenigen Stunden. Bieten hingegen benachbarte Waben mit Pollen, Larvenhäuten und Kotresten die für den "Start ins Leben" notwendigen Eiweiße, Vitamine und Mineralien, toben sich die Mottenlarven hungring auch an hellem Wachs und an Beutenwänden aus. - Unbenutzte Beuten zu Saisonende routinemäßig mit Natronlauge reinigen. Nur wirklich sinnvoll bei Faulbrutsanierung oder wenn Rückstände fettlöslicher Varroazide entfernt werden sollen. Gegen Krankheitserreger schützen die Bienen das Beuteninnere eigenständig mit einer "Propolis-Tapete". Wo trotzdem Krankheiten auftreten, sind sie meist Folge eines übemäßig hohen Varroabefalls. Regelmäßige Wabenerneuerung (siehe DNB 08/2010, S.259) ist dagegen immer sinnvoll.
- Dunkles Wachs, flackernde Kerzen und unsaubere Mittelwände. Wachsaufbereitung kann so einfach sein (siehe nachfolgenden Artikel).