Monatsbetrachtung November
Monatsbetrachtung für November mit freundlicher Gemehmigung von
Frau Dr. Pia Aumeier
Am Dornbusch 8
44803 Bochum
E-Mail: Pia.Aumeier@rub.de
Tel. 0170 / 3 17 59 32
Schützt die Bienen… Bienen erhalten die Natur!
Wir Imker verstehen uns gerne als praktische Naturschützer. Allzu oft beschränkt sich unsere Naturliebe jedoch ausschließlich auf die Honigbiene. Um deren vermeintliche Bedürf nisse möglichst umfassend zu erfüllen, scheuen wir keine Kosten und Mühen. Von der Reizung im Frühjahr über die Zwischentrachtfütterung bis zur Bodenheizung im Winter reichen die skurilen Ideen, für deren Durchführung der mutmaßlich optimale Standort in kilometerweiter Entfernung vielfach mit dem PKW angefahren wird. In einem festen Bienenhaus mitten in der Prärie scheinen die Bienen sowieso viel besser aufgehoben als in der zugig feuchten Freiaufstellung. Mäuse und Ameisen darin werden mit Giftködern "erlegt", und Wespen sind eh nur störendes Ungeziefer. Honigt die Tanne, tourt die halbe Republik in den Schwarzwald, wo dann die Völkermassierung dem Gedrängel auf dem Oktoberfest gleichkommt. Und das Problem mit den Trachtlücken lässt sich doch auch flugs lösen …
Aggressive Aliens
Drüsiges Springkraut (Große Balsamine) blüht von Juli bis Oktober, ist hochattraktiv für viele Insekten und Inhalt / Theorie und Praxis liefert solche Nektarmengen, dass manche Imker auf eine Winterauffütterung verzichten können. Ein idealer Lückenfüller für die spätsommerliche trachtarme Zeit sollte man meinen. Doch anders als in seinem Ursprungsland Ostindien ist der verheißungsvolle Neubürger bei uns keine unauffällige Pflanze mit winzigem Verbreitungsgebiet.
Foto 2: Balsaminen-Dickicht: das drüsige Springkraut ist eine gute Bienenweide pflanze, sollte aber nicht gezielt weiter verbreitet werden.
In Europa bildet sie blitzschnell dichte Bestände (Foto 2), zieht monatelang bestäubende Insekten in ihren Bann und raubt damit einheimischen, weniger durchsetzungsstarken Arten Lebensraum und die Chance selbst Samen zu bilden. Riesenbärenklau, Kanadische Goldrute (Foto 3)
Foto 3: Die kanadische Goldrute, ein weiterer attraktiver Zuwanderer.
und die "beste bisher bekannte Spättracht", der Bienenbaum (auch Wohl duftrauke bzw. Euodia hupehensis), haben ebenso das Zeug zum kurzfristigen Bienenparadies wie zum grünen Besatzer. Ihren Expansionserfolg verdanken die vitalen Einwanderer teils dem Fehlen von Fraßfeinden, die am Heimatort als natürlicher Bestandsregulator wirken. Fachleuten fällt allerdings auch ein verräterischer Zusammenhang auf: die meisten erfolgreichen Invasoren sind hervorragende Bienenweidepflanzen …
Fremdenhysterie ist trotz allem nicht angebracht. Die Ausbreitung gebietsfremder Arten stellt nicht per se eine Bedrohung für die heimische Flora dar. Die meisten bleiben in ihrer Nische unter den „Eingeborenen“ so unauffällig wie Nachtkerze (aus Nordamerika), Rosskastanie (Balkan), kleines Springkraut (Tadschikistan, Kaschmir) oder Schneeglöckchen (Türkei). Manch vor Jahrhunderten eingeschleppte Ackerbegleitflora fassen wir inzwischen als so elementaren Bestandteil unserer Kulturlandschaft auf, dass wir ihr Verschwinden im Zuge der Intensivierung der Landwirtschaft heftig beklagen, wie bei Kornrade, Kornblume, Klatschmohn, Ackersenf oder Echter Kamille. Übermächtig werden die „neuen Wilden“ insbesondere in instabilen, bereits durch menschliche Eingriffe vorgeschädigten Ökosystemen. Dennoch sollten umsichtige Imker von einer gezielten Verbreitung des weit gereisten Grünzeugs absehen. Denn es gibt Alternativen …
Schluss mit "Kehrwoch"
"Die Erde aber war wüst und leer …" in vielen Gärten (Foto 4). Doch auch Rhododendron, Kirschlorbeer, Serbische Fichte und gefüllte Rosen sind nichts als grüne Wüstenei. So mancher Autobahnrandstreifen beherbergt inzwischen eine höhere Artenvielfalt als der heimatliche Golfrasen (Foto 5).
Die gleichzeitige Klage der Besitzer solcher "Gärten" über "ausgeräumte Landschaften" und "monotonisierte Agrarwüsten" klingt da wie Hohn. Auch Schuldzuweisungen an unsere Landwirte sind unangebracht solange wir nicht bereit sind, Abstriche von unserem anspruchsvollen westlichen Konsumverhalten zu machen. Warum nicht zunächst mal vor der eigenen Tür kehren wie beispielhaft in Foto 6 zu sehen?
Foto 6: Obstgehölze, Frühjahrsblüher, Trocken stein mauer … hier herrscht Ordnung und trotzdem ist Platz für Natur.
Schon wenige Dutzend Quadratmeter genügen, um langlebige Hochstämme (Apfel, Birne) zu pflanzen, die bis zu 100 Jahre lang nicht nur bestäubenden Insekten
Nahrung, sondern auch Hornissen, Fledermäusen, Käuzen in Höhlen Lebensraum bieten. Die Trockenmauer ist Grundstücksbegrenzung und ökologische Nische zugleich. Wer seine Wiese nicht düngt, sondern nach nur zweimaliger Mahd (im Juli und September) das Mähgut konsequent abfährt, erhält nach einigen Jahren eine üppige und bunte Blütenvielfalt (Foto 7), die auf den einst überdüngten Flächen keine Überlebenschance hatte.
Foto 7: Je magerer der Rasen, desto bunter der Blüteneppich
Den Ungeduldigen helfen spezialisierte Gärtnereien bei Auswahl und Wiederansiedlung standorttypischer Pflanzen (Pflanzenliste und Adressen unter www.imkervereinessen-borbeck.de/down load/ pdf/stauden.pdf). Menschen mit ausgeprägtem Ordnungssinn finden vielleicht statt an exotischer Fernsehantennenfichte und sterilem Bodendecker auch an einem gepflegten bauerngartenähnlichen Blüh streifen Gefallen, auf dem Frauenmantel, Akelei, Lupine, Rittersporn, Salbei und Minze sogar ästhetisch an sprechend farblich "sortiert" blühen (Foto 8)? Eine weitere Option sind die in letzter Zeit heftig umworbenen Bienenweidemischungen. Sie bieten allerdings in manchen Jahreszeiten ein wenig ansprechendes Bild (Foto 9), sind nicht nachhaltig, sowie mittel- und langfristig arbeitsintensiver als die Ausmagerung einer Wiese. Ihr großer Plus punkt: Flächen sind "schnell schön bunt", decken mit guten Nektar- und Pollenspendern ganzjährig den Tisch für verschiedene Blütenbesucher und erhalten die Bodenfruchtbarkeit für eine eventuell anschließende landwirtschaftliche Nutzung.
"Eine Nummer größer" engagiert sich mancher Imkerverein für eine blütenreiche, dauerhafte Bereicherung der Landschaft durch die Neuanlage von Streuobstwiesen. Einfacher und nahezu kostenlos ist die Anlage einer Benjeshecke ("Die Vernetzung von Lebensräumen mit Benjeshecken", H. Benjes, Natur & Umweltverlag, 1998). Das Prinzip: im Herbst/Winter wird in langen Wällen Strauch- und Laubholz-Baumschnitt an Feldsäumen aufgeschichtet. Davon angelockte Vögel lassen dort frisch verdaute Samen samt Düngerpackung fallen, die geschützt vor Wildverbiss im waldähnlichen Klima am Boden des Strauchschnitts keimen. In nur 10 Jahren entstand so auf einer 200 m langen Versuchsfläche eine dichte, intensiv blühende Hecke mit 150 Sträuchern. Optimale Ansprechpartner für solche Initiativen sind Jäger, "deren" Fasane, Rebhühner und Kaninchen in den Hecken Deckung und Brutplatz finden und die häufig den richtigen Draht zu den Bauern haben. Wer so aus Gärten und Wegrändern blühende Oasen macht, hilft nicht nur "seiner" Honigbiene.
Foto 8: Buffet für Blütenbesucher: optisch ansprechend und doch naturnah.
Foto 9: Tübinger Bienenweidemischung – nach dem Abblühen immer noch wertvoll.
Biene Maja allein auf weiter Flur?
Unser Nutztier Honigbiene ist ein ökonomisches und ökologisches Erfolgsmodell. Mindestens 160,-Euro pro Volk kann jeder Imker im Mittel alleine durch den Honigverkauf erwirtschaften, 125 Millionen Euro werden so nur in Deutschland umgesetzt. Der Wert ihrer Bestäubungstätigkeit ist dagegen kaum mit seriösen Zahlen zu belegen. Je nach Pflanzenart und Landschaftsstruktur reichen die Schätzungen von 0 bis 80% aller bestäubten Blüten. In der Obhut des Menschen bleiben Honigbienen auch in strukturarmen, intensiv bewirtschafteten Regionen von Wohnungsnot und Futtermangel, sowie Bedrohung durch Krankheiten und Para siten verschont. Doch dauerhaft allein auf die Honigbiene zu setzen wäre kurzsichtig, denn der pfiffige Team worker ist durchaus nicht für alle Pflanzen der optimale Geschäftspartner.
Vergessene Bestäuber
Die meisten der 2000 heimischen Nutz- und Wildpflanzenarten sind auf einen gründlichen Insektenbesuch angewiesen, um einen reichhaltigen Fruchtansatz zu bilden. Manche dieser Blüten scheinen nur für einen speziellen Bestäubertyp gebaut. So liegen die Nektarien beim ursprünglichen Rotklee so tief in der Blüte, dass sie nur von den langrüsseligen Hummeln erreicht werden können. Auch andere schwer zu bearbeitende Wild- und Nutzpflanzen wie Taubnessel, Fingerhut, Löwenmäulchen, Rittersporn, Ackerbohnen, Erbsen, Bohnen, Senf oder Luzerne werden besonders effizient von diesen schwergewichtigen Besuchern „bedient“. Beim „Vibrationssammeln“ an Tomaten und Gartenmohn ist ebenso „Masse“ gefragt um den Pollen erfolgreich aus den Staubbeuteln zu schütteln. Ausgestattet mit einer „Standheizung“, können Hummeln zudem schon bei frostigen 2°C früh im Jahr blühende Pflanzen besuchen und so Ernteausfälle z.B. bei Obst bei ungünstiger Witterung verhindern helfen. Spannende Beziehungsge flechte zu Honigbienen zeigten sich in neuen Studien: sind die Männchen mancher Wildbienen auf Partnersuche, stören sie durch ihre Rempeleien Honig bienen an Sonnenblumen, erhöhen so die Wechselrate zu einer neuen Blüte und damit die Effizienz der Bestäubung.
Neben den Hummeln gibt es alleine in der Gruppe der „Bienen“ etwa 520 weitere Arten, die sich teils auf den Blütenbesuch einiger weniger und unscheinbarer Pflanzen spezialisiert haben („Heimische Wildbienen, Hummeln und Wespen“, sowie „Wildbienen“, W. Mühlen, Bezug über Bienenkunde Münster, „Blütenpflanzen und ihre Gäste“ Teil 1 und Teil 2, Obst- und Gartenbauverlag München, H.&M. Hintermeier, www.wildbienen.de). Besonders die engen Beziehungen „auf Gedeih und Verderb“ sind durch Lebensraumverlust, Pestizid einsatz und Verarmung der Pflanzenwelt betroffen. Trotz höchsten Fleißes kann die Honigbiene den Wegfall dieser Bienen, aber auch von Fliegen, Wespen und Käfern nur zum Teil auffangen. Um die bunte Vielfalt unserer Umwelt zu erhalten, ist daher neben blühenden Oasen (siehe oben)auch mehr Toleranz gefragt.
Bienenkiller … oder verkannte Nutzinsekten
Imkerliche Äußerungen wie „...verirrt sich einmal eine Hornissenkönigin in der Wespenfalle, so ist das keine Umweltsünde...“ sind nicht nur höchst bedenklich, sondern zudem unsinnig und strafbar. Leider sind sie schwer aus zurotten. „Natürlich ärgere ich mich auch, wenn Hornissen oder Wespen zur Plage werden“, so die Verlautbarung eines Monatsbetrachters. Ökologisch gebildete Imker hingegen haben dieses gespaltene Verhältnis zu den friedlichen Stachelträgern schon lange abgelegt und erkannt, dass sie in der Kategorie „Schädling“ nichts zu suchen haben (www.hymenoptera.de, „Schützt die Hornissen“, R. Ripberger und C.-P. Hutter, Weitbrecht-Verlag, antiquarisch zu beziehen).
- Foto 10: Vor allem Fliegen stehen auf dem Speiseplan von Hornissen.
Schließlich erlegen die imposanten Hornissen vor allem Fliegen (Foto 10), die wehr haften Honigbienen stehen nur in lächerlich geringen Stückzahlen auf ihrem Speiseplan. Kleinere Wespenarten entsorgen als Gesund heits polizei auch die unrühmlichen Indizien einer verfehlten Varroa-Bekämpfung (Foto 11a und b).
- Foto 11a und 11b: An wehrhaften Bienen vergreifen sich Wespen nur nach imkerlichen Fehlern.
Nur in kranke oder sehr schwache Völker dringen sie auch ein, erkennbar an zahlreichen Bienenbeinen in der Stockwindel (Foto 12) …
Wenn Wespen also „zur Plage werden“, hat der Imker versagt!
- Foto 12: Zahlreiche Bienenbeine in der Windel – hier haben Wespen ein totkrankes Volk entsorgt.
Vielfalt statt Einfalt!
Die Gründe, deretwegen Menschen sich in Deutschland für die Imkerei interessieren, scheinen sich in den letz ten Jahrzehnten geändert zu haben. Nur wenige sehen heute die Imkerei als Zubrot, drei Viertel meiner 380 Jungimker aus 2009 gaben an mit ihrem Einstieg einen Beitrag zum Umwelt- und Naturschutz leisten zu wollen. Sicher ist das nicht immer einfach, auch ich fahre mit dem Auto zu meinen 12 Versuchsbienenständen, schmelze mein Wachs mit dem stromfressenden Dampferzeuger, füttere unökologisch erzeugtes Futter. Und
doch kann jeder auch im Kleinen Sinnvolles tun: den Bienenstand so nah wie möglich am Haus halten, unnötige Fahrten vermeiden, das eigene Umfeld insektenfreundlich und vielfältig gestalten. So beißt letztlich auch unsere Honigbiene nicht ins Gras!
Checkliste – DAS können Sie sich im November schenken!
- Erschrecken über auskristallisiertes Futter in den Waben (Foto 13). Passiert bei Mais- und Weizenstärkesirup häufig, ohne jeden Nachteil für die Bienen.
- Foto 13: Nicht erschrecken! Stärkesirupe kristallisieren im Winter gerne in den Waben aus – ohne Probleme für die Bienen.
- Spechtschäden an den Beuten (Foto 14). Weder Plastikkatzen, Gerüche, Schall oder Vogelscheuchen helfen. Sicher ist nur ein korrekt angebrachtes Drahtgitter oder Vogelnetz. Mir zu umständlich. Da nur einzelne Standorte betroffen sind, wandere ich von diesen dauerhaft ab.
- Foto 14: Spechte sind territorial – wer keine Netze zum Schutz seiner Beuten spannen will, verstellt die Bienen einfach um einige hundert Meter.
- Langeweile. Planen Sie die Neugestaltung Ihres Gartens, Umweltbildungs-Aktivitäten oder bauen Sie eine Nisthilfe für Wildbiene, Hummel (Abb.15) oder Hornisse. Wertvolle Tipps hierzu unter
www.paul-westrich.de/artenschutz/wiekannichhelfen.php und im Buch „Bienen, Hummeln, Wespen im Garten und in der Landschaft“, Obst- und Gartenbauverlag München, H. und M. Hintermeier.
- Foto 15: Jemand daheim? Künstliche Nistgelegenheiten erleichtern Hummeln die Wohnungssuche.